Rheuma Erkrankungen nach Alphabet

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Lyme-Arthritis

Synonyme

Zeckenbisskrankheit, Arthritis im Rahmen einer Borreliose, Borrelienarthropathie
Die Borreliose ist eine Infektionskrankheit mit dem Bakterium Borrelia burgdorferi, welches durch Zecken übertragen wird. Klinisch werden 3 Stadien unterschieden, wobei die Manifestationsformen der einzelnen Stadien nicht gleich ablaufen müssen, so dass eine Reihe an Verlaufsformen beobachtet werden kann. Nach einer Latenzzeit von einigen Tagen (meist 14-21) nach dem Zeckenbiss kommt es zum Auftreten eines Erythema migrans sowie etwas später eines Borrelien-Lymphozytoms (Stadium I = lokal). Nach mehreren Wochen tritt das disseminierte Stadium II auf. Hierbei finden sich Allgemeinsymptome, neurologische Symptome (Meningopolyneuritis, Enzephalitis, Myelitis), eine Perimyokarditis, Augenveränderungen, Myalgien oder auch eine Myositis, Arthralgien und Enthesiopathien, sowie eine anfangs intermittierende, später chronisch-persistierende Arthritis. Stadium III ist - als Spätmanifestation - ein chronisches Endstadium, wobei meist Monate bis Jahre zwischen der Infektion liegen. Charakteristisch sind folgende Spätmanifestationen: chronische Enzephalomyelitis, Polyneuropathie, Kardiomyopathie, eine chronische Arthritis und die Acrodermatitis chronica atrophicans.
Unter einer adäquaten, früh eingeleiteten, antibiotischen Therapie ist die Prognose gut.
Es finden sich, abhängig von der Durchseuchung der Vektoren (= Schildzecken), regionale Unterschiede hinsichtlich Inzidenz und Prävalenz der Borreliose. In Europa und den USA ist die Borreliose die häufigste von Arthropoden übertragene Erkrankung.
In Mitteleuropa findet sich eine durchschnittliche Durchseuchung der Zecken von 15-20%, wobei regional bis zu 66% beobachtet werden können. Das Risiko einer Infektion nach einem Zeckenbiss beträgt dennoch nur 1-3%; zahlreiche Infektionen verlaufen vermutlich asymptomatisch (seroepidemiologische Daten).
Typischerweise findet sich das Erythema migrans vor allem von Mai bis November.
Borrelia burgdorferi gehört zur Gruppe der Spirochäten. Aufgrund ultrastruktureller, proteinchemischer und antigenetischer Untersuchungen konnte eine weitere Unterteilung in verschiedene Subtypen von Borrelia burgdorferi erfolgen. B. garinii und B. afzelii sind möglicherweise mit dermatologischen und neurologischen Manifestationen verbunden.
Nach primärer Ausbreitung der Borrlien in der Haut sowie in den lokalen Lymphknoten kommt es in weiterer Folge zur lymphogenen und hämatogenen Streuung, wobei eine Vielzahl zellulärer und humoraler Prozesse in der Pathogenese beteiligt ist. Histologisch finden sich in allen betroffenen Geweben Infiltrate von Lymphozyten und Plasmazellen.
Eine Häufung von HLA-DR2 und -DR4 legt des Weiteren eine Bedeutung immungenetischer Faktoren nahe.
Die Klinik ist charakterisiert durch einen stadienhaften Verlauf. Nach einer Inkubationszeit von wenigen Tagen bis 4 Wochen kommt es zum Auftreten eines Erythema migrans. Mitunter manifestiert sich die Hautinfektion auch erst innerhalb einiger Wochen als Lymphangiosis benigna cutis (Borrelien-Lymphozytom). In diesem frühen Stadium können auch unspezifische Allgemeinsymptome vorhanden sein.
Nach einer Latenzzeit von wenigen Wochen bis Monaten kommt es zum Auftreten neurologischer, ophthalmologischer oder rheumatologischer Symptome, während bis zum chronischen Stadium mitunter Jahre vergehen können. In der Zwischenzeit sind die Patienten zumeist symptomfrei.
Arthralgien und Myalgien im Rahmen der Borreliose, von meist intermittierendem Charakter, treten erstmalig im Stadium II auf. Die Dauer der Schübe sind meist nur wenige Stunden, und es finden sich in der Regel wandernde Lokalisationen. Große und kleine Gelenke können betroffen sein, wobei ein mon- bis oligoartikulärer Verlauf typisch ist. Gelegentlich kommt es auch zu flüchtigen Gelenkschwellungen.
Die eigentliche Lyme-Arthritis ist eine späte Manifestation, mit einem Beginn von Monaten bis zu 2 Jahren nach der Infektion. Es handelt sich dabei um eine akut beginnende Mon- oder Oligoarthritis mit intermittierendem Verlauf. Vorwiegend sind die großen Gelenke der unteren Extremitäten, und zwar am häufigsten das Kniegelenk, betroffen. Die Arthritis ist oft kaum schmerzhaft, und zumeist ist das betroffene Gelenk auch nur minimal überwärmt, während der Erguss große Ausmaße annehmen kann - mit Auftreten von Baker-Zysten, die zu Rupturen neigen.
Bei 10% der betroffenen Patienten geht die akute in eine chronische Arthritis über, die einen erosiven Verlauf mit periartikulärer Osteoporose, Gelenksspaltverschmälerung, subartikulärer Zystenbildung und ossären Erosionen zeigt.
Auch Enthesiopathien - ähnlich wie bei den seronegativen Spondylarthropathien - treten in Stadium II und III auf. Gelegentlich kommt es im Rahmen einer Borreliose auch zum Auftreten von Myositiden, mit wechselnder Ausprägung von Myalgien, Muskelschwäche und -atrophie.
Die Laborbefunde sind meist unspezifisch - BSG-Erhöhung, normochrome Anämie, Leukozytose mit Linksverschiebung, IgM-Erhöhung, Erhöhung der Transaminasen, Mikrohämaturie und Proteinurie, zirkulierende Immunkomplexe sowie Kryoglobuline.
Eine Analyse der Synovialflüssigkeit zeigt meist Zellzahlen > 70.000/µl mit ‹berwiegen der Granulozyten.
2 bis 4 Wochen nach Infektion findet sich ein Anstieg der spezifischen IgM-Antikörper und weitere 1-2 Wochen später der IgG-Antikörper. Die IgM-Antikörper-Antwort nimmt dann im Verlauf der nächsten Monate ab, während die IgG-Antikörper-Spiegel innerhalb einiger Wochen einen konstant erhöhten Spiegel erreichen. Die Serodiagnostik erfolgt mit ELISA - bei positiven Befunden sollte immer ein Western Blot zur Bestätigung angeschlossen werden.
Neuerdings gibt es auch die Möglichkeit, Borrelien mittels PCR in der Synovial-Flüssigkeit nachzuweisen - mit einer sehr hohen Sensitivität.
Die Röntgenuntersuchungen der betroffenen Gelenke im akuten Stadium sind unauffällig. Bei Vorliegen einer chronischen Arthritis finden sich destruktive Veränderungen mit periartikulärer Osteoporose, Gelenksspaltverschmälerung, subartikulärer Zystenbildung und ossären Erosionen.
Je nach Vorliegen anderer Manifestationen der Borreliose müssen sich entsprechende Untersuchungen zum Sichern der Diagnose anschließen - dermatologische, neurologische, ophthalmologische und/oder kardiale Exploration.
Insbesondere neurologische und kardiale Manifestationen können weitreichende Konsequenzen für den Patienten nach sich ziehen. Von kardialer Seite kann es zum Auftreten von Reizleitungsstörungen, bis hin zum AV-Block III∞, der die Implantation eines Schrittmachers indiziert, kommen. Auch intraventrikuläre Leitungsblockierungen, Vorhofflimmern und ventrikuläre Extrasystolie können auftreten. In seltenen Fällen entwickelt sich eine Kardiomegalie.
Die Differentialdiagnose der Lyme-Arthritis umfasst die Gicht, Pseudogicht, septische Arthritis, das Löfgren-Syndrom, virale Arthritiden, Arthritis psoriatica, reaktive Arthritiden, enteropathische Arthritiden, die RA, den SLE und die Ehrlichiose. Allenfalls vorliegende Borrelien-Antikörper müssen mit großem Vorbehalt in die Diagnose-Findung einbezogen werden.
Im Frühstadium ist die orale antibiotische Therapie in aller Regel kurativ. Zur Anwendung kommen Doxycyclin oder Amoxycillin, bei Kontraindikationen gegenüber diesen beiden Substanzen auch Erythromycin, Azithromycin und perorale Cephalosporine. Die Antibiotika-Therapie muss über mindestens 14 Tage erfolgen - bei weiter bestehender Klinik im Sinne es Erythems oder von Allgemeinsymptomen mitunter bis zu insgesamt 30 Tagen.
Im Stadium II und III und bei schwerwiegenden Organmanifestationen wird eine intravenöse Therapie mit Ceftriaxon, Cefotaxim oder Penicillin G über 14-21 Tage durchgeführt.
Bei Vorliegen einer chronischen, Therapie-resistenten Monarthritis kann mitunter eine Synovektomie erforderlich werden. Intraartikuläre Glukokortikoide sollten, wenn überhaupt, erst nach ausreichend langer antibiotischer Therapie appliziert werden.