Polymyositis und Dermatomyositis
I = PM des Erwachsenenalters (34%)
II = DM des Erwachsenenalters (29%)
III = PM und DM bei malignen Erkrankungen (9%)
IV = PM und DM des Kindesalters (7%)
V = Overlap-Syndrome (21%)
Bei der PM handelt es sich vornehmlich um einen zellvermittelten Prozess, der gegen die Muskelzelle als primäres Ziel gerichtet ist. In Muskelbiopsien findet man CD8-positive T-Lymphozyten und Makrophagen, die um intakt erscheinende, nicht-nekrotische Muskelzellen gruppiert sind und diese teilweise invadieren. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass die Muskelzellen MHC-Moleküle der Klasse I exprimieren, die wiederum CD8-positiven Lymphozyten bestimmte Peptide präsentieren.
Im Gegensatz dazu ist der entzündliche Prozess bei der DM gegen das intramuskuläre Gefäßsystem gerichtet und vorwiegend humoral vermittelt. Man findet Antikörper gegen Gefäßwandbestandteile und Immunkomplexe in der Gefäßwand mit Gefäßwandverdickungen, Gefäßverschlüssen und einer Rarefizierung von Kapillaren. Die Veränderungen der Muskelzellen werden dann als Folge des vaskulären Prozesses im Sinne einer Ischämie interpretiert. Typisch ist auch eine perifaszikuläre Muskelfaseratrophie. Die entzündlichen Infiltrate bestehen vorwiegend aus CD4-positiven T-Lymphozyen und B-Lymphozyten.
Bei Kindern mit DM findet man mitunter regelrechte Infarkte als Folge der Gefäßverschlüsse.
Die im Rahmen einer PM/DM nachweisbaren Autoantikörper werden unterteilt in Myositis-assoziierte Auto-AK, wie Anti-Scl-70, Anti-Ro, Anti-La, die primär bei anderen Autoimmunerkrankungen vorkommen und dementsprechend bei Patienten mit Overlap-Syndromen gehäuft zu finden sind, und Myositis-spezifische Auto-AK. Diese werden bei 30-40% der Myositis-Patienten gefunden. Es handelt sich hierbei um AK gegen Aminoacyl-tRNA-Synthetase, wobei 5 verschiedene Synthetasen bekannt sind, von denen tRNA-Synthetase gegen Histidin (=Anti-Jo-1)von Bedeutung ist; außerdem Anti-SRP-AK und Anti-Mi2-AK, wie sie v.a. bei DM zu finden sind. Antikörper gegen Myosin und Myoglobin konnten auch immer wieder nachgewiesen werden; es dürfte sich dabei aber eher um Epiphänomene handeln.
Einen Auslöser des Immunprozesses konnte man bisher noch nicht nachweisen; es sprechen jedoch einige Befunde für eine Bedeutung von Virusinfektionen in der Pathogenese. Dabei könnte es entweder zu einer Veränderung körpereigener Strukturen, oder aber zum Auftreten einer molekularen "Mimikry" kommen. Eine virale Genese wird durch das Auftreten von Myositiden bei Patienten mit HIV- und HTLV-1-Infektionen unterstützt.
Des Weiteren wird eine genetische Komponente vermutet. Unterstützt wird diese Hypothese durch familiäre Häufungen, signifikante Unterschiede der Häufigkeit zwischen verschiedenen Rassen und Assoziation mit bestimmten HLA-Antigenen (z.B.: B8, B14, DR3, DQA1*0501, usw.).
Mit Andauern der Erkrankung kommt es zum Auftreten von Muskelatrophien und Kontrakturen.
Im Initialstadium klagen ca. 50% der Patienten mit PM und DM über dumpfe, muskelkaterartige Myalgien.
Bei mehr als 70% der Patienten können klinisch, elektro- oder echokardiographisch kardiale Anomalien gefunden werden. Es handelt sich hierbei vornehmlich um Reizleitungsstörungen, Arrhythmien und eine Verminderung der Pumpleistung. Seltener kommt es zu einer restriktiven oder dilatativen Kardiomyopathie, Perikarditiden oder Klappenfunktionsstörungen (insbesondere Mitralklappenprolaps). Schwere kardiale Komplikationen sind zwar selten, 25% der tödlichen Krankheitsverläufe sind jedoch darauf zurück zu führen.
Eine Beteiligung der Lunge findet sich bei ca. 10% der Patienten mit PM und DM, wobei es sich um akute und chronische interstitielle Lungengerüsterkrankungen handelt. Klinisch finden sich ein unproduktiver Husten und Atemnot; gelegentlich kann diese pulmonale Mitbeteiligung jedoch auch asymptomatisch verlaufen. Insgesamt ist der Nachweis einer interstitiellen Lungengerüsterkrankung als prognostisch ungünstiges Zeichen zu werten. Gehäuft findet man eine pulmonale Mitbeteiligung bei Vorliegen von Anti-Jo-1-AK (ca. 50% der Patienten).
Weitere extramuskuläre Symptome können sein: ein Raynaud-Phänomen und Gelenksbeschwerden, meist im Sinne von Polyarthralgien, gelegentlich auch einer Polyarthritis; destruktive Veränderungen der Gelenke treten gewöhnlich nicht auf. Andere, seltene Organmanifestationen können eine Glomerulonephritis und Darmperforationen aufgrund einer Vaskulitis sein.
Bei Patienten mit Jo-1-AK findet man gehäuft eine pulmonale Mitbeteiligung im Sinne interstitieller Lungengerüstveränderungen sowie signifikant häufiger eine Polyarthritis mit Auftreten von Gelenksdeformitäten, ein Raynaud-Phänomen und Fieber. Auch die Myositis ist zumeist schwerwiegender und weniger gut behandelbar.
Bei Vorliegen von Anti-SRP-AK findet man zumeist hochakute, schwere Verläufe einer Polymyositis.
Die Klinik der Dermatomyositis im Erwachsenenalter unterscheidet sich von Seiten der Muskelsymptomatik nicht von der PM; gekennzeichnet wird sie durch charakteristische Hautveränderungen. Hierbei handelt es sich um ein Erythem und eine ödematöse Schwellung der Augenlider (typischerweise mit livider Farbkomponente), Wangenpartie, vorderer Hals-Brust-Bereich, Schulter und Streckseiten der Extremitäten, v.a. der Finger-, Ellbogen- (so genanntes Gottron-Zeichen) und Kniegelenke. Ausgespart werden die Streckseiten der Finger. Im Bereich des Nagelfalzes findet man Blutungen, Teleangiektasien und fokale Hautatrophien. Ein weiteres Charakteristikum sind die "Mechaniker-Hände". Darunter versteht man eine Verdickung der Haut an den Handinnenflächen, die rissig ist und tiefe, dunkle Querfalten aufweist. In späteren Krankheitsstadien finden sich pseudoekzematöse Hautveränderungen, De- und Hyperpigmentierungen, Poikilodermien, Photosensibilität, Ulzerationen und eine Calcinosis cutis. Die genannten Hautveränderungen können auch ohne Myositis auftreten. Man bezeichnet dies dann als "Dermatomyositis sine Myositis". Andere extramuskuläre Symptome, wie ein Raynaud-Phänomen oder Arthralgien, findet man häufiger als bei der PM.
Die DM verläuft, anders als die PM, häufiger fluktuierend mit Remissionen und Rückfällen.
PM und DM im Kindesalter unterscheiden sich prinzipiell nicht von den Formen bei Erwachsenen. Man findet jedoch häufiger eine DM, und zwar am häufigsten zwischen dem 4. und 10.Lebensjahr.
Als Overlap-Syndrome bezeichnet man das gleichzeitige Auftreten von PM/DM mit einer progressiven systemischen Sklerose, einer RA und/oder einem Sjögren-Syndroms. Typischerweise ist hier die Myositis geringer ausgeprägt.
Eine Assoziation von PM und DM mit Malignomen wird mit unterschiedlicher Häufigkeit (7-34%) in der Literatur angegeben, wobei die Assoziation der PM mit Malignomen immer wieder angezweifelt wird. Die häufigsten Tumorlokalisationen sind Ovarien, Mammae, Bronchien, Magen und Prostata. ‹blicherweise gehen die Muskelsymptome der eigentlichen Tumormanifestation voraus. Charakteristisch ist ein schlechtes Ansprechen der Myositis auf die immunsuppressive Therapie. Negativ korrelieren mit einer malignen Grunderkrankung eine gleichzeitig bestehende interstitielle Lungenerkrankung sowie Myositis-spezifische Auto-AK.
Für die Diagnosestellung kommen verschiedene Kriterien zur Anwendung:
1) nach Bohan und Peter
* Muskelschwäche mit gewöhnlich proximaler symmetrischer Verteilung, ev. mit Schluck- und Atemstörungen
* Erhöhung der muskulären Serumenzyme
* myopathische EMG-Veränderungen mit pathologischer Spontanaktivität
* bioptisch myositisches Gewebssyndrom
* typisches Erythem bei DM
-> PM gesichert bei Vorliegen der ersten 4 Punkte
-> DM gesichert bei typischen Hautveränderungen und mind. 3 weiteren Kriterien
2) nach Tanimoto
* Hautveränderungen - livide Schwellung der Oberlider
Gottron-Zeichen
Erythem über den Streckseiten anderer Extremitäten-Gelenke
* proximale Muskelschwäche
* erhöhte Serum-CK
* Muskelschmerz bei Druck oder spontan
* myopathische EMG-Veränderungen mit pathologischer Spontanaktivität
* positive Jo-1-AK
* nicht-destruktive Arthritis oder Arthralgien
* systemische Entzündungszeichen (Fieber > 37∞, erhöhte CRP oder BSG)
* myositisches Gewebssyndrom mit Muskelfaserde- und -regeneration und entzündlichen Infiltraten, ev. mit Faserinvasion
-> Diagnose einer DM bei mindestens einer Hautveränderung und 4 anderen Kriterien
-> Diagnose einer PM bei mindestens vier Kriterien (außer Hautveränderungen)
Die BSG ist bei ca. 50% der Patienten mit PM und DM erhöht, wobei jedoch keine Assoziation mit der Krankheitsaktivität besteht. Das CRP ist zumeist normal. IgG-Spiegel können erhöht sein.
In der Muskelbiopsie finden sich entzündliche Infiltrate, bestehend auf Lymphozyten, Plasmazellen und Histiozyten, die bei der PM vorwiegend endomysial, bei der DM vor allem perivaskulär sowie in den peri- und interfaszikulären Septen lokalisiert sind, Degeneration von Muskelfasern und Muskelfaser-Regenerate. Andere unspezifische Veränderungen sind Kaliberschwankungen der Muskelfasern, zentrale und vesikuläre Kerne sowie eine Proliferation des Bindegewebes. Charakteristisch für eine PM ist die lymphozytäre Invasion nicht-nekrotischer Muskelfasern, während eine DM durch kapilläre Nekrosen, Verdickungen und Verschlüsse kleiner Arterien und Mikroinfarkte charakterisiert wird.
Eine Hautbiopsie ist diagnostisch zumeist nicht notwendig, kann die Verdachtsdiagnose DM jedoch zusätzlich untermauern. Man findet epidermale Schwellungen, perivaskuläre und lymphozytäre Infiltrate unter Einbeziehung der Gefäßwände und vereinzelt Gefäßverschlüsse, verursacht durch Fibrinthromben.
Wichtig ist auch ein aktives Suchen nach einer viralen, bakteriellen oder parasitären Genese. Es kann sich hierbei um Infektionen mit EBV, Influenza-, Coxsackie-Viren und HIV, Borrelien, Strepto-, Staphylokokken und Clostridien handeln. Außerdem kann eine Toxoplasmose, Trichinose und Zystizerkose vorliegen.
Granulomatöse Myositiden, wie zum Beispiel im Rahmen einer Sarkoidose, und eine eosinophile Myositis lassen sich mittels Skelettmuskel-Biopsie einfach ausschließen. Wichtig ist auch eine genaue Erhebung der Medikamente-Anamnese sowie ein Erheben möglicher toxischer Auslöser einer Myopathie.
Von den rheumatologischen Systemerkrankungen kann sich eine Polymyalgia rheumatica mitunter ähnlich klinisch präsentieren; mittels laborchemischer Untersuchungen fällt die Diagnose-Stellung jedoch leicht. Auch verschiedene systemische Vaskulitiden können zu einer Mitbeteiligung der Muskulatur führen. Eine Fibromyalgie stellt zumeist keine differentialdiagnostischen Schwierigkeiten dar.
Mittel der 1.Wahl sind Glukokortikoide, wobei fluorierte Glukokortikoide wegen ihres besonders negativen Effektes auf Elektrolyt- und Muskelstoffwechsel mit der Gefahr einer sekundären Myopathie (Glukokortikoid-Myopathie) kontraindiziert sind. Die angewandten Dosierungen sind in der Literatur vielfältig. Es kommen Tagesdosen von 30mg bis 1g zur Anwendung. Des Weiteren kommen die einmal tägliche, die zweimal tägliche, die alternierende Gabe und die Pulstherapie zur Anwendung. Vielfach verbreitet ist eine Initialdosis von 1,5mg/kgKG täglich über eine Dauer von mindestens 4 Wochen. Nach dieser Zeit sollte eine Normalisierung der Muskelfermente oder zumindest ein deutlicher Rückgang eingetreten sein, so dass dann mit einer Reduktion der Dosis begonnen werden kann. Die Erhaltungsdosis liegt meist zwischen 10 und 15mg täglich, und sollte mindestens 1 Jahr nach Erreichen eines stabilen Zustandes mit Normalisierung der Muskelfermente, günstigerweise jedoch über 1,5 bis 2 Jahre fortgeführt werden. Problematisch im Zusammenhang mit der Glukokortikoid-Therapie ist das Auftreten einer Glukokortikoid-Myopathie. Diese beruht auf einer Atrophie der Typ-II-Fasern und führt zu einer weiteren Abnahme der Muskelkraft. Klinisch ist sie charakterisiert durch eine proximal betonte Muskelschwäche vor allem der unteren Extremität ohne gleichzeitigen Anstieg der Muskelfermente und ohne vorangegangene Reduktion der Glukokortikoid-Dosis. In der EMG findet sich meistens eine ausgeprägte Spontanaktivität.
Bei ungenügendem Ansprechen auf Glukokortikoide kommen verschiedene Immunsuppressiva zum Einsatz. Zur Anwendung kommen Azazthioprin (2-2,5mg/kgKG täglich), Methotrexat (15-25mg/Woche), Cyclosporin A (2-3mg/kgKG täglich) und auch Cyclophosphamid. Cyclophosphamid hat vor allem bei Vorliegen einer akuten Alveolitis einen festen Platz in der Therapie, wobei die perorale Dauertherapie der intravenösen Bolus-Gabe - bei erhöhter Toxizität - hinsichtlich der Wirkung überlegen ist. Auch intravenöse Immunglobuline wurden im Rahmen von unkontrollierten Studien verabreicht, und es konnten damit therapeutische Erfolge erzielt werden. Der Vorteil dieser Therapie liegt in der relativen Sicherheit der Therapie sowie den seltenen Nebenwirkungen. In Kasuistiken wurden Erfolge mittels Plasmapherese, Ganzkörper- und Lymphknoten-Bestrahlung sowie Thymektomien bei Therapie-refraktären Fällen beschrieben.
Allgemeinmaßnahmen beinhalten im akuten Stadium körperliche Schonung bis hin zu Bettruhe, je nach Befund, ergänzt durch passive Bewegungsübungen, um das Entstehen von Gelenkskontrakturen zu verhindern. Im Anschluss an die Stabilisierung des Zustandbildes kommt einer Einzelheilgymnastik zum Wiederaufbau von Muskelmasse eine wesentliche Bedeutung zu.