Vaskulitissyndrome
Synonyme
Aufgrund serologischer, immunhistochemischer und histologischer Befunde kann eine Unterteilung in 3 Gruppen erfolgen:
1) ANCA-assoziierte Vaskulitiden ohne Immundepots in der Gefäßwand (pauziimmun)
2) Komplement-verbrauchende Immunkomplexvaskulitiden mit In-situ-Ablagerungen von Antigen-Antikörper-Komplexen
3) Granulomatöse Vaskulitiden mit mononukleären Zellinfiltraten in den Gefäßwänden
Außerdem können primäre Vaskulitiden - mit einer immunologisch vermittelten Gefäßwandschädigung unbekannter ƒtiologie - von sekundären Vaskulitiden - als Folge von Neoplasien, Infektionskrankheiten, Kollagenosen oder Medikamentennebenwirkungen - unterschieden werden.
Die Pathogenese der Vaskulitiden ist noch weitgehend unklar. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen Granulozyten, Monozyten und Lymphozyten, die durch zum Teil unbekannte Signale aktiviert werden. Damit zusammenhängend kommt es zur Expression von Adhäsionsmolekülen und Zytokinen durch die Endothelzellen. In weiterer Folge findet eine Interaktion des Endothels mit neutrophilen Granulozyten und mononukleären Leukozyten statt. Bei den meisten Vaskulitissyndrome finden sich entlang der Endotheloberfläche, in den Gefäßwänden und im perivaskulären Raum neben aktivierten Lymphozyten auch Immunglobulin- und Komplementablagerungen. Zirkulierende oder in situ gebildete Immunkomplexe können zu einer nekrotisierenden Vaskulitis führen.
Für das Verständnis der Immunpathogenese bei verschiedenen Syndromen war die Entdeckung der zirkulierenden antineutrophilen zytoplasmatischen Antikörpern (ANCA) wichtig. Es werden hierbei aufgrund des Immunfluoreszenz-Musters 2 Typen unterschieden: 1) cANCA (zytoplasmatisch) - ein für die Wegener-Granulomatose spezifischer Antikörper. Das Zielantigen ist Proteinase-3. Und 2) pANCA (perinukleär) - am häufigsten assoziiert mit pauziimmuner Glomerulonephritis, aber auch bei anderen systemischen nekrotisierenden Vaskulitissyndromen. Das Zielantigen ist hier Myeloperoxidase.
Auf Basis der gefundenen Autoantikörper gibt es nun neuere Hypothesen zu Pathogenese: ANCA induzieren einerseits Zytokine von stimulierten neutrophilen Granulozyten und andererseits die Produktion von reaktiven Sauerstoffradikalen. Am Anfang der Pathogenese scheint eine Sezernierung von Zytokinen zu stehen, welche durch Antigen-stimulierte Endothelzellen hervorgerufen wird. Die durch die Zytokine reaktionsbereiten Neutrophilen werden durch zirkulierende ANCA aktiviert. ‹ber die Freisetzung von Sauerstoffradikalen, NO und Proteasen aus neutrophilen Granulozyten kommt es zum Gefäßschaden.
Eine infektiöse Ätiologie ist für mehrere Vaskulitissyndrome wahrscheinlich, z.B. die Kawasaki-Erkrankung.
Klinisch wertvoll sind die standardisierten Krankheitsdefinitionen gemäß der Chapel Hill Consesus Conference:
1) Vaskulitis großer Gefäße:
Riesenzellarteriitis (Arteriitis temporalis):
granulomatöse Arteriitis der Aorta und ihrer Hauptäste, v.a. der extrakraniellen ƒste der A. carotis
A. temporalis häufig befallen
Patienten üblicherweise älter 50 Jahre
häufig assoziiert mit Polymyalgia rheumatica
Takayasu-Arteriitis:
granulomatöse Entzündung der Aorta und ihrer Hauptäste
Patienten üblicherweise unter 50 Jahre
2) Vaskulitis mittelgroßer Gefäße:
Panarteriits nodosa (klassische PAN):
nekrotisierende Entzündung der mittelgroßen und kleinen Arterien ohne Glomerulonephritis und ohne Vaskulitis der Arteriolen, Kapillaren und Venolen
Kawasaki-Krankheit:
Arteriitis der großen, mittelgroßen und kleinen Arterien
häufig assoziiert mit mukokutanem Lymphknotensyndrom
Koronararterien häufig, Aorta und Venen zum Teil betroffen
üblicherweise im Kindesalter
3) Vaskulitis kleiner Gefäße
Wegener-Granulomatose:
granulomatöse Entzündung des Respirationstraktes und nekrotisierende Vaskulitis kleiner bis mittelgroßer Gefäße (z.B. Kapillaren, Venolen, Arteriolen und Arterien)
meist nekrotisierende Glomerulonephritis
Churg-Strauss-Syndrom:
eosinophilenreiche und granulomatöse Erkrankung des Respirationstraktes und nekrotisierende Vaskulitis der kleinen bis mittelgroßen Gefäße, die mit Asthma und einer Bluteosinophilie assoziiert ist
mikroskopische Polyangiitis (mikroskopische PAN):
nekrotisierende Vaskulitis kleiner Gefäße (z.B. Kapillaren, Venolen, Arteriolen) mit kleinen bzw. fehlenden Immundepots
zum Teil nekrotisierende Arteriitis der kleinen und mittelgroßen Arterien
meist nekrotisierende Glomerulonephritis
häufig pulmonale Kapillaritis
Schönlein-Henoch-Purpura:
Vaskulitis der kleinen Gefäße (Kapillaren, Venolen, Arteriolen) mit überwiegend IgA-enthaltenden Immundepots
Organbefall charakteristischerweise Haut, GI-Trakt und Glomeruli
Arthralgien oder Arthritis
essentielle kryoglobulinämische Vaskulitis:
Vaskulitis der kleinen Gefäße (Kapillaren, Venolen, Arteriolen) mit Kryoglobulin in situ und zirkulierend im Serum
Haut und Glomeruli häufig betroffen
kutane leukozytoklastische Angiitis:
isolierte leukozytoklastische Angiitis der Haut ohne systemische Vaskulitis oder Glomerulonephritis
Differentialdiagnostisch wichtig sind die "Vaskulitis-Imitatoren".
1) häufig:
Cholesterinembolie (Blue-toe-Syndrom)
bakterielle Endokarditis
2) selten:
fibromuskuläre Dysplasie
Vaskulopathie bei Antiphospholipidsyndrom
thrombotisch-thrombozytopenische Purpura
3) sehr selten:
chronischer Ergotismus
Vorhofmyxom
neuroektodermale Dysplasie
Pseudoxanthoma elasticum
Ehlers-Danlos-Syndrom
Bestrahlungs-induzierte Arteriopathie
Neurofibromatose
Sweet-Syndrom (akute febrile neutrophile Dermatose)
maligne Angioendotheliomatose